Dieser 12. Newsletter steht unter dem Motto: »Yesterday und andere Tiger«

Damen und Herren vom Stamme der wilderen Leser, Freundinnen und Kollegen …

1.) Begeisterung in den Frankfurter Messehallen. Das ist nicht selbstverständlich. Wir erinnern uns an den fröhlichen Jubel, als vor 11 Jahren Wislawa Szymborska den Literatur-Nobelpreis erhielt und Feuilletonisten ihren Namen buchstabieren lernten. (Auch ans ungläubige Gelächter beim Namen Elfriede Jelinek.)
Doris Lessing hat, ein Jahr vor dem Nobelpreis schon, insgeheim einen unserer Buchtitel inspiriert: »Nomaden im Herzen«. Das schöne Wortbild findet sich in einem Interview, das Bernadette Conrad mit Doris Lessing führte. Nachzulesen in unserer viel gerühmten Sammlung literarischer Reportagen: Bernadette Conrad, Nomaden im Herzen, ISBN 978-3-905707-08-3. (Soll dann keiner jammern, wenn er/sie die Erstausgabe verpasst hat…)
Dass die ZEIT soeben am 18. Oktober ein neues Gespräch von Bernadette Conrad mit Doris Lessing abdruckte, erwähnen wir mal so nebenbei.

2.) SWR bedeutet fortan bei uns: So wird's recht. Denn der Südwestrundfunk hat nun mit der Produktion eines dreiteiligen Hörspiels begonnen, das Fritz Mühlenwegs großen Roman („In geheimer Mission durch die Wüste Gobi“) neu beleben wird: an drei Samstagen im April 2008 auf SWR 2.
Wir drucken das Buch seit 14 Jahren nach, in diesen Wochen wieder. Eigentlich ist es eine Neuproduktion, wir stellen den Text behutsam auf neue Rechtschreibung um. Er kommt so dem Urmanuskript erheblich näher: Mühlenweg hat schon vor Jahrzehnten »ss« geschrieben, wo nach des alten Duden Schriften eigentlich ein krauses »ß« verlangt war. Der 768-Seiten-Roman wird Mitte November wieder lieferbar, mit einem runderneuerten Nachwort über Autor und Werk. Und wollten Sie dieses meisterliche Werk nicht endlich mal lesen, wieder lesen, weiter verschenken?

3.) This reminds me ... Was Mühlenweg quer durch die Jahre bei Lesern in Gang setzt, hüten wir im Ordner »Fanpost«. Wenn wir dereinst einen Sammelband »Mühlenwegiana« herausbringen, dann könnte er mit einem konzisen, geduldig erarbeiteten Text beginnen (»Beharrlichkeit bringt Heil«), in dem der Journalist Peter Barden den vielen Zitaten aus dem I Ging nachgeht, die Mühlenweg in seinen Roman diskret eingeflochten hat. Was wir immer geahnt haben, wird nun klar.
Mit gebührender Bewunderung lesen wir auch – bis in die 157 Fußnoten hinein – eine kulturwissenschaftliche Diplomarbeit, die 2007 an der Viadrina-Universität (Frankfurt/O) entstand: Anja Krieger hat »Strategien der Wissenschaftssatire« erforscht, am Beispiel von »Das Germknödel-Pradigma/ DE ARTE GERMOECOLOGIA«, einem frühen Band unserer Reihe »Litzelstetter Libellen. Handbüchlein und Enchirida«: Superbe! Da im dokumentarischen Anhang eines der bestgehüteten Verlagsgeheimnisse angeplaudert wird, können wir das frühestens im übernächsten Jahrzehnt publizieren.

4.) Am Wochenende feierte Manfred Bosch seinen 60. Geburtstag. Dass bei einem Autor, Literaturvermittler, Kulturhistoriker von so freundlicher Wirksamkeit - seine „Bohème am Bodensee“ ist soeben in 3. Auflage erschienen - unterm Festgewölbe sich Literaten und andere Scouts sammelten, wundert niemand. Auch einer meiner liebsten Dichter („Licht“) lernte ich so endlich kennen, den Libelle-Prospekt bekam er schon länger nach Südfrankreich geschickt: Christoph Meckel.

5.) Wir sind in den Endkorrekturen von Jiri Weils »Sechs Tiger in Basel«. Und wenn Sie Freunde in Berlin haben (vielleicht gar am Neuruppiner See), oder im Elsass, in Alma Ata, Luzern oder am Genfersee: dann hätten Sie schon ein apartes Weihnachtsgeschenk gefunden. Dort spielen Weils Geschichten, erstmals übertragen von Bettina Kaibach. Wir liefern Ende November aus, Sie können also vorbestellen.
Erzählungen in unverwechselbarem Tonfall, in Klangfarben von surrealem Witz bis zur pathetischen Klage. Die historische Bandbreite reicht vom Moskau der 20er-Jahren (mit Jessenin, unterm Tisch liegend) übers Paris der Zwischenkriegszeit bis in die unversehrte, auch entsprechend ungerührt beschriebene, Schweiz der Nachkriegsjahre.
Der Band hätte auch „Das Schaf von Lidice“ heißen können, nach einem der berührenden Texte, in denen Weil in poetischer Verdichtung die Erinnerung ans erlebte Grauen der Judenverfolgung verarbeitet. Aber diesen kämpferischen, (böhmischen, jüdischen, sozialistischen), europäischen Erzähler wollen wir doch gerechterweise eher mit den Tigern assoziiert wissen.

6. Und damit wir nicht nur im eigenen Saft köcheln, hier als bonus track (vulgo: Zustupf) die Nachricht von einem vergessenen Urtext. Eric Clapton erzählt in seiner Autobiographie, die bald erscheint (Kiepenheuer & Witsch): wie sein Freund Paul (McCartney), den er in der Frühzeit der Beatles schon kannte, irgendwann tagelang eine neue Melodie vor sich hin sang, immer wieder, und weil John (Lennon) noch keinen Text dafür hatte, sang Paul diese Hymne der Vergänglichkeit erstmal auf die eigenen Worte: »Scrambled eggs, everybody called me scrambled eggs …«


Lesen wir uns wieder mal? Noch vor Ostern? Freundlich grüßt die Verlegerei und
Ihr
Ekkehard Faude

23. Oktober 2007


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