Textauszug
Der Lotse geht einige Schritte voraus und trägt den Koffer der »Omadame«, die sich bei Vicky einhängt. Vicky trägt mit der freien Hand ihren eigene Koffer. Mara wird mit Winken bedeutet, sich dicht hinter den beiden zu halten, ja nicht zurück zu bleiben.
Unablässig strömt der Regen, überdeckt das Geräusch ihrer Schritte. Manchmal erschreckt das Auffliegen eines Vogels die Flüchtenden. Ein lautlos kreisender Scheinwerfer wirft in regelmäßigen Abständen Strahlenblitze ins Unterholz.
Von Zeit zu Zeit bleibt der Trupp stehen und horcht in die Nacht: kein verdächtiger Laut. ... Wie lange sind sie wohl schon unterwegs? Im Dunkel verliert sich die Zeit.
Plötzlich gibt etwas unter Maras Füßen nach. Zweige knacken, sie strauchelt, lässt den kleinen Koffer los, rutscht in eine Tiefe. Sie merkt, dass sie in einem Wasserloch steht und ihre Füße immer tiefer in den Schlamm sinken.
Gelähmt, hilflos, mit verklebtem Mund steht sie in dem Loch. Vor Schreck pinkelt sie, spürt das körperwarme Nass und um sich die Kälte von Regenwasser und Schlamm. Sie darf nicht rufen, um die Anderen nicht zu gefährden. Sie zittert am ganzen Körper. Wie lange sie so verharrt, weiß sie nicht.
Aus dem Dunkel trifft sie Mamis Schrei: »Mara! Wo bist du, Mara!!« Dann eine barsche Männerstimme – und wieder Mamis verzweifelter Schrei: »Ma-a-a-ra!!«
Plötzlich wird es scheinwerferhell um sie herum. Befehle werden laut, eine Autotür wird zugeschlagen, ein Motor heult auf, im Schlamm durchdrehende Räder, ein Lärm, der sich rasch in der Ferne verliert.
Dann nähern sich Stimmen, sie hört Kommandos und der grelle Schein von Taschenlampen trifft Mara in ihrem Schlammloch. Uniformierte Gstalten, Gewehre, bellende Hunde. Bis einer der Männer ungläubig auflacht: »Da ist ja ein Kind drin! Ach du liebe Neune! Ein Mädel! Und den Mund ham’se ihr verklebt!«
Die Hunde werden zurück genommen. Die Männer machen sich daran, Mara aus ihrem Gefängnis herauszuziehen, doch der Schlamm hält ihre Füße in den Stiefeln fest.
Maras Blick trifft die Augen von einem der Hunde, er hält ihren Blick fest. Ihr ist, als ob zwischen ihr und dem Hund eine Abmachung gelte. Der Hundeführer gibt Leine nach, das große, kräftige Tier kommt zum Rand der Grube und stemmt die Vorderpfoten fest in den aufgeweichten Boden. Die Männer stehen schweigend und schauen auf Mara. Die löst sich schwerfällig aus ihrer Erstarrung, legt dem Hund – immer noch Auge in Auge – die Arme um den Nacken, der Hund sucht Halt mit den Hinterpfoten während seine Zunge Maras Gesicht ableckt. Dann greifen die Männer nach ihr und holen sie mit einem rhythmischen »1 …2 …und 3!« aus dem Schlamm – ohne Schuhe.
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